Stille Helden

In Frankfurt ist, wie eigentlich überall in der Republik, ein neues Heldenzeitalter angebrochen. Überall lesen wir von „Alltagshelden", „Helden der Krise und heldenhaften Helfern. Sie ergreifen manchmal das Wort und bitten uns, zu Hause zu bleiben, während sie für uns wahlweise im Krankenhaus, in der Drogenhilfeeinrichtung oder im Linienbus ihrer Arbeit nachgehen.

Aber wie ist das genau? Wann ist ein Held ein Held? Das Zedler-Lexikon, eine der größten Enzyklopādien der Welf aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, definiert in Band zwölf: „Held, lat. Heros, ist einer, der von Natur mit einer ansehnlichen Gestalt und ausnehmender Leibesstärcke begabet, durch tapfere Thaten Ruhm erlanget, und sich über den gemeinen Stand derer Menschen erhoben." Er braucht also Figur, Kraft und Schneid, dann wird der Held berühmt und steht über den gemeinen Menschen. Klingt etwas oberflächlich, aber sehr angenehm.

Allerdings: Held zu sein ist unangenehm. Bis wir in diese Krise gerieten, waren die Helden, von denen wir viel gehört haben, zum Beispiel Martin Luther King (wegen seines Einsatzes für Bürgerrechte erschossen), Nelson Mandela (27 Jahre Gefängnis) und zuletzt vielleicht der Whistleblower Edward Snowden, der von vielen noch den Zusatz „Verräter" verliehen bekam und seither im russischen Exil dahindümpelt.

Während der Corona-Pandemie hat sich viel geändert, doch etwas ist gleich geblieben: Held zu sein klingt zwar irgendwie glorios, macht im Alltag aber vor allem eins: eine Menge Arbeit. Denn ganz nah am Helden ist Opfer". Es versteckt sich auch in der Tapferkeit - die Zähne zusammenbeißen muss man selten, wenn ei tel Sonnenschein herrscht.

Helden opfern etwas, was viele andere Menschen nicht bereit sind zu geben. So auch unsere stillen Helden auf dieser Seite: Sie setzen sich täglich in einem Testbus der Gefahr einer Infektion aus. Sie betreuen die Kinder von den „Systemrelevanten" - und halten damit das Rad am Laufen, während sie sich um ihre eigenen Kinder nicht kümmern können. Sie fahren uns zur Arbeit, sie reinigen unsere Gebäude, sie pflegen, beschützen und retten uns, bringen Kinder zur Welt, unterrichten die älteren von ferne und sorgen dafür, dass wir im Supermarkt Klopapier in den Regalen finden. Sie opfern dafür nicht nur ihre Sicherheit und vielleicht ihre eigene Gesundheit, sondern auch viele Nerven. Und trotz allem machen sie kein Gewese darum, drängen nicht in den Mittelpunkt.

Ihre „ansehnliche Gestalt" ist vielleicht eher eine innere Einstellung, ihre „Leibesstärcke“ ist die Willenskraft, und ihre ,tapferen Thaten" sind ihr Durchhaltevermögen. Daher bleibt uns nur zu sagen: Danke, dass ihr euch ethebt, auch über die Angst, und helft.